

Christoph Bernarding
Lieblings-Streamer: Critical Role
Lieblings-Spiel: World of Warcraft
Fun-Fact: Lief vor ein paar Jahren den kompletten Jakobsweg
DMCA für Streamer: Neue Urheberrechts-Verletzungen auf Twitch
Veröffentlicht am 9. Juni 2020 von Christoph Bernarding
Wie offizielle Sprecher des Unternehmens bekannt geben, sieht sich Twitch seit Kurzem mit einer neuen Form von Urheberrechtsansprüchen konfrontiert, die in erster Linie die Hintergrundmusik in den kurzen Clips vieler Streamer betreffen. Die Grundlage dafür bildet der Digital Millennium Copyright Act (DMCA), der bereits auf diversen anderen Plattformen für Kontroversen sorgte. So haben nun auch die Content Creator auf Twitch mit diesem Problem zu kämpfen und selbst größere Kanäle bangen um ihre Zukunft.
Die Zusammenhänge – Clips, Strikes & DMCA
Dass Broadcaster eine Lizenz benötigen, wenn sie urheberrechtlich geschützte Musik gemäß den Vorschriften des DMCA nutzen wollen, sollte spätestens seit Einführung der automatischen Content ID von YouTube allen Streamern klar sein. Die faire Entlohnung von Künstlern steht in der Streaming-Community auch nicht zur Debatte, vielmehr dreht sich die neu entfachte Diskussion um die Methoden bzw. veralteten Systeme, die als Basis dienen. Dazu zählt der DMCA mit Sicherheit, der seit 1998 besteht – eine unvorstellbar lange Zeit in einer so schnelllebigen Branche wie der digitalen Welt.
Erst seit ein paar Tagen von den Inhalten des DMCA betroffen sind die Clips auf Twitch, die von vielen Kanälen z. B. als monatliche Highlights eingesetzt werden. Durch die vorgeschriebene Länge von unter einer Minute eignen sich diese Ausschnitte hervorragend, um Streaminginhalte über die Grenzen des eigenen Portals hinaus zu teilen. Dabei sind es meist die Zuschauer oder Moderatoren (und nicht der Streamer selbst), die diese Clips erstellen und anschließend verbreiten.
Quelle: Screenshot Twitch.tv
Mehr als eine rechtliche Grauzone
Twitch sowie dort ansässige Streamer hatten bislang das Glück, dass Urheberrechtsverletzungen von den Inhabern bis dato recht stiefmütterlich behandelt wurden. Selbst die meistgeschauten Kanäle zeigten regelmäßig geschützte Inhalte und schauten etwa komplette Fernsehserien zusammen mit ihren Fans, sodass eine Spotify-Playlist, die im Hintergrund lief, kaum ins Gewicht fiel. Lediglich VODs, die gespeicherten Aufnahmen einer Live-Show, wurden bei besonders auffälligen Verstößen automatisch stumm geschaltet.
Als Verantwortliche distanzierten sich die Teammitglieder von Twitch natürlich auf dem Papier bzw. online in den Guidelines eindeutig von solchen Verstößen gegen das Urheberrecht, drückten aber in der Vergangenheit wie die Eigentümer auch großzügig beide Augen zu. Mehr zu dieser Problematik und welche Alternativen für Streamer bestehen, kannst Du in unserem Guide zum Thema Musik auf Twitch nachlesen, wo auch der DMCA Erwähnung findet. Der dort angesprochene Ernstfall ist nun eingetreten:
Quelle: Twitter-Account des Twitch Supports
Drei Strikes und Du bist draußen!
Seit ein paar Tagen erhalten Twitch-Streamer unabhängig ihrer bevorzugten Kategorien sog. DMCA-Copyright-Strikes oder zu Deutsch Urheberrechtsverwarnungen seitens der Inhaberfirmen. Neusten Informationen zufolge steckt vor allem die Recording Industry Association of America (RIAA) hinter dieser ersten Welle an Abmahnungen, von denen vor allem alte Twitch-Clips betroffen sind, die nach dem Strike gelöscht werden.
Dieses Vorgehen stellt für die Content Creator ein massives Problem dar, denn Twitch arbeitet mit einem strikten 3-Strike-System, bei dem auf den letzten Verstoß sogleich ein Permabann folgt. Das führt im schlimmsten Fall zu einem Verlust der Existenzgrundlage, da hauptberuflichen Streamern durch einen Bann fast alle Einnahmen verloren gehen. Auf Twitch „verjähren“ solche Strikes zudem nicht wie beispielsweise auf YouTube.
Quelle: Twitter-Account von Fuslie
Das Beispiel der Streamerin Fuslie zeigt eindrucksvoll die Ausmaße, die DMCA-Strikes annehmen können. Als League of Legends Spielerin liegt der Fokus ihrer Übertragungen auf Twitch bestimmt nicht auf der abgespielten Musik, sondern das Gameplay steht im Vordergrund. Fuslie kann sich wenigstens darauf berufen, dass ihr Account bis dato nie negativ auffiel und sie deshalb sogar 2 Strikes ohne einen Bann verkraften kann.
Die Ausgangssituation bleibt allerdings angespannt. Wie die Streamerin in einem weiteren Tweet mitteilte, stehe sie nun vor der Frage, wie sie sich gegen weitere DMCA-Strikes schützen kann. Twitch bietet derzeit aus rein technischer Sicht keine Möglichkeit, Clips in Massen zu löschen, sodass betroffene Broadcaster, die auf Nummer sicher gehen wollen, von Hand abertausende Videos löschen müssen. Sonstige Gegenmaßnahmen erweisen sich als schwierig und erfordern zudem rechtliches Vorwissen.
Weitere Meinungen aus der Community
Da Fuslies Channel nur einer von vielen bleibt, der von diesen DMCA-Strikes betroffen ist, sorgten die Verwarnungen für großen Aufruhr in der Streaming-Community. Die Mehrheit schließt sich der Meinung des bekannten IRL-Streamers Jake (Jake’n’Bake) an und fordert seitens Twitch eine schnelle Lösung des Problems – oder zumindest eine Pausierung der 3-Strike-Regel.
Clips könnten auf die gleiche Technologie wie VODs zurückgreifen und lediglich stummgeschaltet werden, falls eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Andere Stimmen wünschen sich hingegen eine Option, als Kanalinhaber alle Clips auf privat stellen zu können, um bei einem drohenden Bann wenigstens etwas Zeit zu gewinnen.
Derartige Vorschläge verhindern jedoch nur die verheerenden Folgen eines vorschnellen DMCA-Anspruchs und lösen nicht den zugrundeliegenden Konflikt. Diesen behandelt u. a. World of Warcraft Streamer Asmongold, der sich vor wenigen Wochen aus einer Pause zurückmeldete, in seinem neusten Video:
Eine Modernisierung des DMCA scheint unausweichlich. Aus Sicht von Asmongold besteht zwischen der Nutzung von Musik und dem Entertainment-Faktor eines Twitch-Streams durchaus eine symbiotische Beziehung, aus der beide Seiten Vorteile ziehen. Nicht umsonst präsentiert ein Großteil aller Streamer dank entsprechender Software ein kleines Fenster, das permanent den momentan zu hörenden Song angibt und dadurch potenziell tausende von Zuschauern auf diesen aufmerksam macht.
Anders als etwa auf YouTube, wo oft ganze Titel oder Alben in Reinform landen, ersetzt das Hören von Hintergrundmusik in einem Stream keine gekaufte CD oder qualitativ hochwertige Onlinequellen. Wer Gefallen an einem Lied findet, der sucht sich nicht speziell einen Gaming-Stream aus, um eine Melodie zu hören, die ständig von In-Game-Sounds oder Erzählungen unterbrochen wird.
Wie Asmongold betont, sind sich die meisten Streamer in seinem Umfeld ihrer Verantwortung bewusst und er selbst hätte keinerlei Probleme damit, in Übereinstimmung mit dem DMCA für Lizenzen zu zahlen – wenn sich beide Parteien auf eine angemessene Summe einigen können. Gegenwärtig überschreiten die Kosten dafür schnell die 100.000-Dollar-Marke, ein Aufwand, der besonders für kleinere Kanäle völlig außer Frage steht.

Quelle: Twitch-Kanal von Staiy
Quelle: Twitch-Kanal von Staiy
Die Zukunft von Twitch
Überhaupt wirft das System des DMCA viele Fragen auf. Das Kernangebot von Twitch liegt beispielsweise noch immer im Gaming-Bereich und auch die populärsten Streamer aus Deutschland zeigen haufenweise Let’s Plays, also direkte Entertainment-Inhalte, die grundsätzlich ebenfalls dem Urheberrecht unterstehen. Im Gegensatz zur Musikindustrie haben die Spieleentwickler aber mittlerweile die Chancen verstanden, die sich durch den Einfluss eines Streamers ergeben, und erlauben für gewöhnlich diese Art der Weiterverarbeitung.
Doch das war nicht immer so. Ein populäres Beispiel war das Vorgehen von Nintendo, die den Content ihrer Spiele (damals noch auf YouTube) nur einem ausgewählten Kreis zur Verfügung stellten und alle anderen abmahnten. Oder Riot Games, die noch vor wenigen Jahren League of Legends Streamern verboten, zwischen den Matches andere Spiele zu zocken. Das komplette Geschäftsmodell von Twitch käme ins Wanken, sollten sich DMCA-Strikes ausdehnen.
Deshalb appelliert Asmongold zum Schluss seines Videos noch einmal an die Entscheidungsträger, sich zeitnah um neue Richtlinien zu bemühen. Schon die Möglichkeit, von einzelnen Plattenlabels „Streaming-Pakete“ mit Lizenzen für spezifische Musikstücke zu erwerben, wäre ein erster Ansatz. Darüber hinaus könnte Amazon als Mutterunternehmen eine ähnliche Verknüpfung wie Twitch Prime herstellen und Songs aus der umfassenden Bibliothek für Streamer freigeben. Die Technik ist da.
Wie siehst Du das Thema? Unterstützt Du die Ansichten der Streamer oder schließt Du Dich den kritischen Stimmen aus der Community an, die diese DMCA-Strikes für vollkommen gerechtfertigt halten? Lass es uns wissen.
Titelbild Quelle: Andrea Piacquadio auf Pexels